Q: Matin Forstenzer. Aus: Bein, Zeitzeichen, S. 182.
Kaufhäuser Adolf Frank und Karstadt nach dem "Warenhaussturm"

 


Der Überfall auf die Kaufhäuser nach den Ermittlungen der Justiz im Jahre 1950

"Am Vormittag des 11. 3. 1933 verkündet der SS-Führer Alpers in der Gaststätte Stadt Helmstedt einer größeren Menge dort versammelter SS-Männer, dass die SS noch am gleichen Tage eine Aktion gegen jüdische Geschäfte in der Stadt Braunschweig unternehmen werde. Alpers erklärte den SS-Leuten, dass sie hieran teilnehmen sollten, aber nicht als Angehörige der SS erkannt werden dürften. Vielmehr sollte der Eindruck erweckt werden, als handele es sich um das Vorgehen einer erregten Volksmenge. Die Bevölkerung sollte durch das Beispiel mitgerissen werden, sich ebenfalls an der Aktion zu beteiligen. Die SS-Leute erhielten von Alpers den Befehl, sich in sogenanntes Räuberzivil zu kleiden, um als Kommune auftreten zu können. Alpers ordnete weiter an, dass die Teilnehmer einzeln oder in kleinen, unauffälligen Gruppen die in der Nähe des Kohlmarktes dicht beieinanderliegenden jüdischen Kaufhäuser Frank und Karstadt aufsuchen, sich in den dortigen Erfrischungsräumen aufhalten und auf einen Pfiff warten sollten, den er - Alpers- abgeben werde. Auf diesen Pfiff solten sie -die SS-Leute- gleichzeitig handelnt alles entzweischlagen. Die SS-Leute verließen daraufhin das Verkehrslokal, um sich befehlsgemäß umzukleiden. Während diese Vorbereitungen vor sich gingen, rief der Innenminister Klagges fernmündlich den Kommandeur der Schutzpolizei Selle an und forderte ihn auf, die Polizeistreifen aus der Nähe des Kohlmarktes zurückzuziehen, da Gliederungen der NSDAP dort eine Aktion durchzuführen hätten, die nicht durch polizeiliches Eingreifen gestört werden dürfe. Selle (...) fügte sich dem Ersuchen und handelte entsprechend. Kurze Zeit darauf wurde die Aktion, wie von Alpers befohlen, von einer größeren Menge getarnter SS-Leute, deren genaue Zahl heute nicht mehr feststellbar ist, ausgeführt. Alpers nahm, ebenfalls in Räuberzivil gekleidet, persönlich an dem Unternehmen teil. Verabredungsgemäß gingen die SS-Männer auf den von Alpers gegebenen Pfiff in beiden Geschäften gegen die genannten Kaufhäuser vor, beschädigten das Mobiliar im Innern der Geschäfte und zertrümmerten eine große Anzahl von Schaufenstern. Im Kaufhaus Frank wurden 21 Fensterscheiben zerschlagen, wobei ein Teil der Auslagen zerstört wurde, im Kaufhaus Karstadt gingen acht Schaufensterscheiben in Trümmer. Die Aktion erregte in der Bevölkerung sehr starkes Aufsehen. Es bildete sich ein großer Menschenauflauf, innerhalb dessen es zu tumultartigen Szenen kam. Die Ruhe wurde erst wieder hergestellt, als das durch die Alarmvorrichtungen der Kaufhäuser herbeigerufene Überfallkommando eintraf und die Menge zerstreute. Die beiden Warenhäuser wurden nach dem Überfall vorübergehen geschlossen. Am Nachmittag des gleichen Tages hielt Alpers, nunmehr wieder in SS-Uniform, in der Öffentlichkeit eine Ansprache, in der er die Angriffe gegen die Jüdischen Geschäfte missbilligte und sie kommunistischen Ruhestörern zur Last legte."

Quelle:
Bein
, Reinhard: Zeitzeichen. Stadt und Land Braunschweig 1930-1945. Braunschweig 2000, S. 185.