Q: Privatbesitz. Aus: Schultz, Akademie für Jugendführung, Abb. 4, S. 271.

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Akademie für Jugendführung

Akademie für Jugendführung

Architektur und Baugeschichte

Von den in der Zeit des Nationalsozialismus entstandenen repräsentativen Bauten stellt die "Akademie für Jugendführung" den bedeutendsten dar. Um die Institution nach Braunschweig zu holen, stellte die Stadt der HJ 1935 ein riesiges, unbebautes Parkgelände am Rande des Okertales zur Verfügung und übernahm auch den größten Teil der Baukosten. Die feierliche Grundsteinlegung fand am 24. Januar 1936 statt. Erst danach wurde das Gebäude geplant. Aus einem beschränkten Wettbewerb, den die HJ 1936 für die Akademie ausschrieb, ging der Hamburger Architekt Erich zu Putlitz, der bereits für die Nationalsozialisten die Kongresshalle und das Sportforum in Rostock sowie die Festhalle für das KdF-Bad auf Rügen gebaut hatte, als Sieger hervor. Der Bau wurde in den Jahren 1937 bis 1939 realisiert; ursprünglich sollte die Anlage außer dem Hauptgebäude und den im Winkel liegenden Wohnhäusern, der Turnhalle und dem Sportplatz zahlreiche Ergänzungsbauten, wie ein Schwimmbad, eine Reithalle, eine Reitbahn, Tennisplätze, ein Bootshaus, ein Stadion, einen Schießstand und eine Schießbahn umfassen. Aufgrund des Kriegsbeginns mussten die Bauarbeiten jedoch 1939 eingestellt werden.

Merkmale nationalsozialistischer Architektur und die Formensprache der "Heroischen Moderne"

Nach Hitlers Vorschriften wurde für den Staatsbau des Dritten Reiches Monumentalität und Klarheit der Grundrisse verlangt. Die nationalsozialistische Architektur hatte ordnungspolitische Aufgaben, sie sollte das Führerprinzip und die nationalsozialistische Autorität veranschaulichen. Dabei war die architektonische Ordnung des Nationalsozialismus eine soldatische, entsprungen aus der Angst vor dem Chaos und der Abwehr der Vielfalt des Lebens.
Der dominante Haupttrakt des Braunschweiger Gebäudes, umrahmt von zwei symmetrischen Flügelbauten, ist geprägt von fünf wandhohen, gleichförmig rechteckigen Öffnungen, die das beherrschende Motiv der Fassade sind und hinter denen eine offene "Ehrenhalle" liegt, die quasi das Zentrum des gesamten Baues bildet. Der Heroismus nationalsozialistischen Gefolgschaftsdenkens sollte durch zwei Bronzefiguren riesigen Ausmaßes hervorgehoben werden, die auf dem Dach des Hauptgebäudes platziert werden sollten, jedoch nie zur Aufstellung kamen. Dem gleichen Zweck dienten die bis heute erhaltenen Relieffiguren in der "Ehrenhalle", über den beiden Eingangsportalen zu den im Norden und Süden anschließenden Gebäudetrakten, die "Ehre" und "Treue" der deutschen Jugend symbolisierten.
Säulen, Pilaster, Kapitelle und Gebälk des Gebäudes stellten modernisierende, zugleich klassische Bedeutungen konservierende Reduzierungen dar, die die Architektur der "Heroischen Moderne" des Jahrzehnts nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt hatte. Der Architekt von Putlitz formulierte in diesem Sinne kein neues nationalsozialistisches Vokabular für das Gebäude der Akademie, sondern setzte für seinen Bau Elemente der vorhandenen Formensprache ein und präsentierte die Vorstellung einer strengen Ordnung, die Vergangenes in die Moderne integriert.


Quellen:
Bojahr, Petra: Erich zu Putlitz. Leben und Werk 1892-1945. Untersuchungen zur Monumentalarchitektur. Mit Beiträgen von Hartmut Frank und Peter Tack. Hamburg 1987 (= Schriftenreihe des Hamburgischen Literaturarchivs).
Bültemann, Manfred: Architektur für das Dritte Reich. Die Akademie für Deutsche Jugendführung in Braunschweig. Berlin 1986.
Fassbinder, Horant: In Gegenwart der "Unsterblichen Gefolgschaft". Drei Braunschweiger Beispiele repräsentativer nationalsozialistischer Architektur, in: Deutsche Kunst 1933-1945 in Braunschweig - Kunst im Nationalsozialismus, Hildesheim/Zürich/New York 2000, S. 179 -189.
Schultz, Jürgen: Die Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend in Braunschweig. Braunschweig 1978.