Q: Rudolf Wassermann: Louis Levin. Braunschweiger Oberlandesgerichtspräsident 1922-1930. Eine biographische Skizze. Braunschweig 1988 (= Stadtarchiv und Stadtbibliohtek. Kleine Schriften, Bd. 19), Vorblatt.
Das Landgericht in der Münzstraße

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Dokument Einzelschicksal: Erna Wazinski


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Landgericht

Sondergerichte

Seit März 1933 entstanden in jedem Oberlandesgerichts-Bezirk Sondergerichte als eine Form von Schnelljustiz, mit eingeschränkten Rechten für die Angeklagten und einem beschleunigten Verfahrensablauf. Die Gerichte setzten sich aus dem Vorsitzenden Richter und zwei weiteren Richtern zusammen.

Das Braunschweiger Sondergericht tagte im Gebäude des Landgerichts an der Münzstraße 17. Von 1933 bis 1945 kamen weit über 7000 Personen mit dieser gefürchteten Institution in Berührung. 92 Angeklagte verurteilte das Gericht zum Tode, unter ihnen 9 Frauen; fast die Hälfte der Todesurteile richtete sich gegen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.

In den Jahren 1933/34 stellte sich das Gericht ganz und gar in den Dienst der Bekämpfung der politischen Gegner der Nationalsozialisten. In den folgenden Jahren bis Kriegsbeginn verhandelte das Gericht vor allem Verstöße gegen das "Heimtückegesetz", das jede regimekritische Äußerung unter Strafe stellte. In der Kriegszeit verstanden sich die Sondergerichte als "Panzertruppe der Rechtspflege". Neue Straftatbestände erweiterten ihre Zuständigkeit. Strafbar war u.a. der Umgang mit Kriegsgefangenen, das Abhören ausländischer Sender, das Schwarzschlachten. Die fürchterlichsten Strafen verhängte das Gericht im Krieg bei Verstößen gegen die "Volksschädlingsverordnung" von 1939, die etwa für Plünderung die Todesstrafe vorsah (s. Schicksal der Erna Wazinski), und gegen die "Polenstrafrechtsverodnung". Wie viele Instituionen des NS-Staates funktionierte das Sondergericht bis in die letzten Kriegstage.

Im Gebäude an der Münzstraße 17 befanden sich während der nationalsozialistischen Herrschaft auch das Erbgesundheitsobergericht und das Erbhofgericht des Landes Braunschweig. Bei den jedem Amtsgericht angegliederten Erbgesundheitsgerichten konnten die Gesundheitsämter nach dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14.7.1933 die Zwangssterilisation beantragen; das Obergericht war die Berufungsinstanz.

Todesurteile des Braunschweiger Sondergerichtes wurden in der Hinrichtungsstätte des Strafgefängnisses in Wolfenbüttel vollstreckt.

Literatur:
Ludewig, Hans-Ulrich / Kuessner, Dietrich: "Es sei also jeder gewarnt". Das Sondergericht Braunschweig 1933-1945. Langenhagen 2000 (= Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Landesgeschichte, Bd. 36).