Q: Postkarte - Jochen Schaper.
Löbbeckes Villa heute und um 1930

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Löbbeckes Villa

Löbbeckes Villa

Überblick

Die 1881 für den Bankier Alfred Löbbecke im Römischen Renaissancestil errichtete Villa am Inselwall 11 wurde in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft von der Braunschweiger SS zeitweise als Dienstsitz (spätestens ab Januar 1935 befand sich der Dienstsitz dann im ehemaligen Landtags-Gebäude) und später als Dienstwohnung für SS-Angehörige genutzt. Als Ort der Erinnerung steht Löbbeckes Villa für die Durchsetzung des nationalsozialistischen Machtanspruchs mit Hilfe der SS. Bei dem Bombenangriff am 14./15. Oktober 1944 wurde das Gebäude zerstört und Ende der sechziger Jahre in veränderter Form wiedererrichtet. Heute befindet sich hier das Gästehaus der Technischen Universität Braunschweig.

Am 9. August 1933 zelebrierten die braunschweigischen Nationalsozialisten die Gründung der "Gruppe Nordwest" der Schutzsstaffel (SS) der NSDAP und die Einweihung des Dienstsitzes am Inselwall. Die "Braunschweiger Tageszeitung" berichtete hierüber unter dem Titel "SS-Gruppe Nordwest in Braunschweig. Eine besondere Anerkennung für die politische Haltung der Braunschweiger Nationalsozialisten". Der im Januar 1932 von Hannover nach Braunschweig verlegte SS-Abschnitt IV / Gruppe Nordwest hatte zuvor seinen Sitz am Petritorwall 18 gehabt, in einem Gebäude, das ebenfalls der Familie Löbbecke gehörte.

Ab 1935 befanden sich in der Villa am Inselwall Dienstwohnungen für SS-Angehörige, unter ihnen Friedrich Jeckeln und Friedrich Alpers, die als Chef der Braunschweigischen Landespolizei bzw. als Finanz- und Justizminister 1933 eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung und Ausschaltung der politischen Opposition in Braunschweig spielten.

Ministerpräsident Klagges, Alpers und Jeckeln nutzten die Gründung der SS-Gruppe Nordwest zur Selbstdarstellung. Zur Einweihung des Dienstsitzes am Inselwall wurden Repräsentanten aus Politik, Justiz und Wirtschaft geladen, und in seiner Rede wies Klagges darauf hin, dass die Verlegung des SS-Abschnittes IV / Gruppe Nordwest nach Braunschweig als "besondere Anerkennung" für die Haltung der Braunschweiger Nationalsozialisten und der braunschweigischen Landesregierung zu werten sei. Hiermit bezog Klagges sich u.a. auf die unter seiner Führung erfolgte Genehmigung des großen SA-Aufmarsches am Franzschen Feld 1931, die Einbürgerung Hitlers 1932 und die 1932 von SS-Männern verübten Attentate auf Einrichtungen des Reichsbanners und die Wohnung des Braunschweiger Oberbürgermeisters Ernst Böhme. Auch der anwesende Vertreter der IHK, Schuberth, fand lobende Worte (was zu diesem frühen Zeitpunkt 1933 bemerkenswert ist, da die SS erst nach dem sog. Röhm-Putsch 1934 zu einer eigenständigen, politischen Kraft im NS-Staat wurde) : "Wir [...] sind stolz, dass die Gruppe ihr Stabsquartier in Braunschweig aufgeschlagen hat, der Stadt, die für sich in Anspruch nehmen darf, unter dem Schutz unseres hochverdienten Ministerpräsidenten Klagges der erste und sichere Hort für unsere Bewegung gewesen zu sein."

Quellen:
Adressbücher der Stadt Braunschweig 1931-1942 und 1952
Anschriftenverzeichnis der Schutzstaffeln der NSDAP (Stand: 1. Oktober 1937)
Diverse Artikel der "Braunschweiger Landeszeitung" vom August 1933
Findbuch zum Bestand R 16 (Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel). Bearb. von Dieter Lent. Wolfenbüttel 1987.
Das Urteil gegen Dietrich Klagges. o.O. 1950.
Organsiationsbuch der NSDAP. Hrsg. v. Reichsorganisationsleiter der NSDAP. 2. Aufl. München 1937.